Wellenwiderstand

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Wellenwiderstand
Wellenwiderstand

 

Wenn man bei einem Kabel (meist Koaxialkabel) davon spricht, es sei ein 50- oder 75-Ohm Kabel, dann ist damit der Wellenwiderstand des Kabels gemeint. Diesen kann man nicht mit einem Ohmmeter messen, weil er nur bei Wechselstrom hoher Frequenz in Erscheinung tritt und ein Ohmmeter typischerweise mit Gleichstrom misst.
Der Wellenwiderstand ist auch nicht von der Länge des Kabels abhängig, im Gegensatz zu seinem Längswiderstand.

Wie kommt das zustande?

Bei Gleichstrom fließt in einem Koaxialkabel der Strom im Innenleiter in eine Richtung und im Schirm in die entgegengesetzte Richtung. Relevant ist hier nur der ohmsche Widerstand der beiden Leiter (der Innenleiter hat üblicherweise einen höheren Widerstand als der Schirm). Diese Widerstände wachsen proportional zur Kabellänge.
Ein Kabel mit 1m Länge hat also doppelt so viel Widerstand wie ein Kabel mit 50 cm Länge. Diesen Widerstand kann man mit einem Ohmmeter messen, vorausgesetzt es hat einen geeigneten Messbereich für die hierbei auftretenden niedrigen Widerstände (normalerweise unterhalb von 1 Ohm).

Bei Wechselstrom mit hoher Frequenz (z. B. Radiofrequenzen) ist die Lage anders. Hier kommt die Signalgeschwindigkeit im Kabel ins Spiel. Diese ist praktisch gleich der Lichtgeschwindigkeit, wenn zwischen Innenleiter und Schirm Luft oder Vakuum als Isolator ist. Das ist unpraktisch, in der Praxis nimmt man dafür einen Kunststoff und dessen Eigenschaften sorgen für eine Verlangsamung der Signalausbreitung. Typische Koaxkabel haben eine Signalgeschwindigkeit von etwa 2/3 Lichtgeschwindigkeit.
Zur anschaulichen Beschreibung des Effekts gehen wir mal davon aus, dass nicht ein Sinussignal einer bestimmten Frequenz, sondern ein Impuls mit unendlich steilen Flanken im Kabel übertragen werden soll. So etwas gibt es nicht wirklich, aber das hier ist ein idealisiertes Gedankenexperiment. Der Impuls soll mit einer ansteigenden Flanke beginnen, und nach einiger Zeit mit einer fallenden Flanke auf den vorherigen Wert zurückkehren.

Wenn wir diesen Impuls ins Kabel schicken, dann wird also die ansteigende Flanke mit einem Tempo von 2/3 Lichtgeschwindigkeit durch das Kabel rasen und schließlich am anderen Ende ankommen. Die Elektronik, die den Impuls erzeugt, also der Ausgang, an welchen das Kabel angeschlossen ist, merkt während dieser Zeit nichts davon, was am anderen Ende des Kabels passiert. Der Widerstand, den der Ausgang „sieht“, hängt also zuerst nur vom Kabel selber ab.
Erst wenn der Impuls am anderen Ende angekommen ist, tritt er in Wechselwirkung mit dem Empfänger am Kabelende, und der Effekt kann darin bestehen (bei „Fehlanpassung“), dass ein Teil der Impulsenergie ins Kabel reflektiert wird. Das bedeutet, dass eine weitere Flanke zurück durch das Kabel zum sendenden Gerät läuft, wieder mit 2/3 Lichtgeschwindigkeit läuft. Erst wenn dieser reflektierte Impuls am Sender ankommt, merkt dieser etwas von den Eigenschaften des empfangenden Gerätes.

Die Lichtgeschwindigkeit beträgt etwa 300,000 km/s, also umgerechnet 30 cm/ns. Zwei Drittel davon sind 20cm/ns.
Bei einem Kabel von 1m Länge dauert es also etwa 10 ns bis ein Ausgang die Reflexion einer ausgesandten Impulsflanke „sieht“. Während dieser 10 ns ist es ausschließlich das Kabel selber, welches den Ausgang belastet. Der sich während dieser kurzen Zeit ergebende Lastwiderstand ist der Wellenwiderstand. Er ergibt sich aus der Geometrie des Kabels und den verwendeten Materialien.

Genauer gesagt ergibt sich der Wellenwiderstand aus dem Verhältnis der Leitungsinduktivität und der Kapazität zwischen Innenleiter und Schirm. Diese sind beide über die Kabellänge verteilt, das Verhältnis ist dabei von der Länge unabhängig, weswegen auch der Wellenwiderstand von der Länge unabhängig ist.

Reflexionen entstehen bei Fehlanpassung des Empfängers, das heißt, wenn sein Eingangswiderstand nicht dem Wellenwiderstand des Kabels entspricht. Bei Gleichheit beider Widerstände sieht der Eingang des Empfängers am Kabelende für den
herankommenden Impuls wie eine perfekte Fortsetzung des Kabels aus und nichts wird reflektiert. Je größer der Unterschied, desto mehr der Impulsenergie wird zurückgeschickt. In den beiden Extremfällen des offenen Kabelendes
(unendlicher Eingangswiderstand) oder des kurzgeschlossenen Kabelendes (Eingangswiderstand null) wird alle Energie reflektiert. In diesen Fällen kommt also der Impuls in voller Höhe (abzüglich der Kabelverluste) zurück.

Auch der Senderausgang sollte korrekt angepasst sein. Wenn sein Ausgangswiderstand nicht dem Wellenwiderstand des Kabels entspricht, dann wird ein zurückkommendes reflektiertes Signal erneut reflektiert und läuft wieder zum
Empfänger hin. Im Extremfall kann die Impulsflanke also mehrfach im Kabel hin-und herlaufen, wenn beide Enden fehlangepasst sind.

Diese Effekte kann man übrigens dazu ausnutzen, um Fehler im Kabel zu finden. Das ist besonders nützlich, wenn die Kabel schwer zugänglich sind, z. B. in der Erde vergraben. Man sendet dazu einen steilen Impuls ins Kabel und wartet auf Reflexionen. Die Zeit, die verstreicht, bis die Reflexion an der Einspeisestelle ankommt, ist ein Maß dafür, wie weit der Defekt entfernt ist. Man kann dann z. B. den Bagger an die richtige Stelle dirigieren. Dieses Verfahren heißt TDR (Time Domain Reflectometry – Zeitbereichs-Reflektometrie).

Im obigen Beispiel mit den 10 ns im 1m-Kabel wird klar, dass die Flankensteilheit des Impulses so groß sein muss, dass die ganze Flanke in weniger als 10 ns durchlaufen werden muss, weil sonst die Reflexion schon während des Ansteigens
eintrifft. Je langsamer die Flanke ist, desto weniger kann man Originalflanke und Reflexion auseinanderhalten. Wenn wir also Signale von so geringer Flankensteilheit haben, dass die Verzögerung im Kabel demgegenüber kurz genug ist, dann kann man den Effekt vernachlässigen und der Wellenwiderstand spielt keine Rolle mehr. Also: Der Wellenwiderstand spielt umso eher eine Rolle, je länger das Kabel ist und je steiler die Flanken sind.

Die Steilheit der Flanken hat nach der Signaltheorie (Fourier) eine direkte Beziehung zu den Signalfrequenzen. Man kann diese Betrachtungen also auch mit Sinussignalen einer entsprechenden Frequenz machen. Das ist vielleicht nicht
mehr ganz so anschaulich, aber man kann sich vielleicht noch vorstellen, dass durch Fehlanpassungen an den Kabelenden sich stehende Wellen ergeben können. Die niedrigste Frequenz solcher stehenden Wellen ergibt sich wiederum aus der
Kabellänge. Bei Kurzschluss an beiden Enden ergibt sich z. B. eine Halbwelle im Kabel, die Frequenz liegt also in unserem 1m-Kabel bei 100MHz.

Man sieht also, dass ziemlich hohe Frequenzen im Spiel sein müssen, wenigstens solange die Kabel nicht sehr lang werden.
Man redet als „Daumenregel“ von einem „elektrisch Kurzen“ Kabel wenn das Kabel kürzer als 1/10 der Wellenlänge der höchsten übertragenen Frequenz ist. Bei diesen Verhältnissen kann man Welleneffekte – und folglich auch den Wellenwiderstand und damit zusammenhängende Fehlanpassungen – in aller Regel vernachlässigen. Wenn man das auf die Audiotechnik überträgt, wo ja die höchste Frequenz in der Regel mit 20kHz angenommen wird, heißt das, dass ein Kabel erst jenseits von 1km Länge nicht mehr als elektrisch kurz angenommen werden kann. Wer lieber mit 100kHz Bandbreite rechnet kommt immer noch auf 200m Kabellänge ohne dass man sich um Reflexionen oder stehende Wellen Sorgen machen müsste.

Audioverbindungen sind daher eigentlich immer fehlangepasst und die Kabel haben auch in aller Regel keinen definierten Wellenwiderstand. Die Frequenzen sind einfach zu niedrig, als dass das eine Rolle spielen würde. Erst bei Videosignalen oder bei digitalen Audiosignalen treten Frequenzen auf, die hoch genug sind, um in den „interessanten“ Bereich hineinzureichen. Und auch da sind im Heim-Bereich die Kabel normalerweise kurz genug um keine Probleme aufkommen zu lassen.

Bevor sich also jemand von den Angaben über Wellenwiderstände irremachen lässt, sollte er kurz überlegen, um welche Signalfrequenzen und Kabellängen es geht, ob also überhaupt unter den gegebenen Umständen ein Problem zu erwarten ist.
Nicht unerwähnt bleiben sollte die Tatsache, dass die für Leitungen angegebenen Wellenwiderstände nur für hohe Frequenzen gelten, die weit oberhalb des Audiobereichs liegen.

Für tiefere Frequenzen ist der Wellenwiderstand komplex und von der Frequenz abhängig, denn eine Leitung verhält sich in diesem Frequenzbereich wie viele in Reihe geschaltete RC-Glieder. Weil die im Audiobereich verwendeten Leitungen kurz sind, kommt nur der kapazitive Anteil zur Wirkung, der ja dann auch manchmal für
Leitungen in den technischen Daten angegeben ist.