Röhrentechnik

Historisches:

Der Ursprung der Röhrentechnik war eine Kohlenfaden-Glühlampe. Nachdem die noch luftgefüllten Lampen keine fünf Minuten überlebten, begann man, die Luft herauszupumpen. Mit diesen ersten Lampen konnte man also schon etwas beleuchten. Nur wurden die Glaskolben innen sehr bald schwarz, was darauf schließen ließ, dass irgendwelches Material vom Kohlefaden ausging.
Verschiedene Basteleien führten nach und nach zum Erfolg.

Röhrentechnik
Röhrentechnik

So wurde ein Blech in die Lampe montiert, in der Hoffnung, die Partikel würden sich dort niederschlagen. Dem war aber nicht so.
Das Ganze war wie ein Warenhaus beim Schlussverkauf. Die Partikel verteilten sich im ganzen „Gebäude“. Auch das Blech hatte keinen Einfluss. Erst als man das Blech mit einem Draht von außen elektrisch zugänglich machte, begann es zu funktionieren. Man stellte nämlich fest, dass das Blech leicht negativ geladen war und solange die Lampe brannte, diese negative Ladung immer wieder „nachgeliefert“ wurde. Und weil man wusste, dass es Elektronen gibt und diese eine negative Ladung haben, konnte man sich vorstellen, dass der Glühfaden Elektronen aussendet.

Solange aber das Blech nicht mit dem Glühfaden verbunden war, war es wie beim Warenhaus, wenn der Eingang offen ist, wenn es aber keinen Ausgang gibt. Irgendwann war alles voller Elektronen und damit entstand eine negative Wolke, um nicht zu sagen ein Elektronengedränge, sodass keine weiteren Elektronen aus dem Glühfaden austreten konnten.

Jetzt hat man das Blech mit dem einen Ende des Glühfadens verbunden. Somit konnten die Elektronen über diesen „Ausgang“ den Raum verlassen und machten damit neuen Elektronen Platz. Dass sie dabei wieder am Ort der Aussendung landeten, ist für die Elektronen unerheblich.

Leider war die „reinigende“ Wirkung auf den Glaskolben noch nicht groß, denn nur die zufällig auf dem Blech gelandeten Elektronen (und mit ihnen die winzigen Kohlepartikel, die sie mit beförderten) wurden vom Glas ferngehalten. Und eine Glühlampe mit Metallgehäuse macht nicht viel Licht.

Der nächste Versuch war, die Elektronen an das Blech zu ziehen. Dies funktionierte in dem Moment, als man das Blech einer (gegenüber dem Glühfaden) positiven Spannung aussetzte. Diese positive Spannung zog nun (wie der Wühltisch) die Elektronen an. Und da man auch mal den Strom maß, der da floss, sah man, dass man je nach Spannung einen größeren oder kleineren Strom bekam.

Jetzt war die Elektronenröhre geboren. Und folglich begann man, damit zu experimentieren. So baute man in dem „Warenhaus“ nach dem Eingang (Kathode) und dem Ausgang (Anode) ein Gitter mit veränderlichem Durchlass ein. Damit konnte man den Elektronenstrom zwischen Anode und Kathode nicht nur durch die Höhe der Anodenspannung steuern, sondern auch durch die negative Spannung am Gitter.

Das muss man sich ungefähr so vorstellen: Die Gitterstäbe sind in einem Abstand, dass der größte Teil der Elektronen sie passieren kann. Vereinzelte treffen auf die Gitterstäbe, aber für die meisten ist es kein Hindernis. Wenn man nun das Gitter negativ macht (gleichnamige Ladungen stoßen sich ab und die Elektronen sind negativ), so wirkt es, wie wenn man die Gitterstäbe dicker machen würde. Der Durchfluss wird deutlich gebremst. Im Extremfall macht das Gitter „dicht“, auch wenn eine positive Anodenspannung die Elektronen anzieht.

Dafür bildet sich an der Kathode ein „Rückstau“, also eine Elektronenwolke. Mit dieser ersten steuerbaren Röhre wurden in der Telefonie (oder jedenfalls gab es so eine Idee) Relais verlustlos geschaltet. Es waren also eine Art „Relaisröhren“. An einen Verstärkerbetrieb hat damals noch niemand gedacht.

An dieser Stelle gleich mal die ersten beiden Röhrentypen, die wir jetzt „kennen“: Geheizte Kathode (Glühfaden aus Wolfram = Wolframkathode) und Anodenblech = zwei Elektroden = Diode.
Geheizte Kathode, Anode und Gitter = drei Elektroden = Triode.

Wir haben gesehen, dass sich der Strom durch die Triode einmal durch die Gitterspannung regulieren lässt, andererseits aber auch durch die Anodenspannung. Dieser Umstand setzte der „Relaisröhre“ Grenzen. Wenn man mit einem normalen Relais durch einen Strom in der Spule einen Kontakt schließt, so spielt es keine Rolle auf die nun magnetische Spule, wie groß die Spannung über dem geschlossenen Kontakt ist. Sie ist ohnehin null, wenn der Kontakt einwandfrei geschlossen ist. Und die treibende Spule und der geschlossene Kontakt haben elektrisch nichts miteinander zu tun.

Bei der Röhre ist das aber anders: Wenn die Röhre leitet, so tut sie das nur, wenn sie noch eine positive Anodenspannung hat. Das wirkt sich so aus, als ob man das Telefonrelais, das mit der Röhre ein- und ausgeschaltet werden soll, über einen Widerstand an die Betriebsspannung anschließt. Man braucht eine höhere Spannung, weil ja an diesem Widerstand (oder bei uns an der Röhre) ein Teil der Spannung bleibt (bleiben muss) und dieser Spannungsabfall ist zusätzlicher Leistungsverlust.

Der nächste Schritt war, eine Elektrode zu finden, welche diese Rückwirkung der Anode deutlich verminderte. Man baute ein zweites, recht weitmaschiges Gitter ein, das die Elektronen passieren mussten. Eine negative Spannung hätte die Elektronen vom Weiterflug abgehalten, darum hat man diese Schirmgitter an eine positive Spannung gelegt. Einerseits gab es nun Elektronen, die von den Gitterstäben, die auf ihrer Flugbahn waren, eingefangen wurden. Die meisten jedoch flogen dazwischen hindurch und wurden dabei deutlich beschleunigt. Und solange Elektronen auf einer Elektrode landen, fließt ein Strom.

Wenn wir also nochmals unser Warenhaus zu Hilfe nehmen, so werden die Kunden nach dem Eingang und nach dem Passieren des Steuergitters per Förderband weiter verfrachtet, egal, ob sie an dieses Ziel wollen oder nicht. Sie sind also per Förderband (Schirmgitter) in Richtung Ausgang (Anode) unterwegs. Diese Röhre würden wir dank der vier Elektroden Tetrode nennen.

Je nachdem, wie weit der Ausgang geöffnet war (entsprechend der Höhe der Anodenspannung), kam es aber am Ausgang (Anode) zu Rempeleien und es kam vor, dass mehr Kunden vom Ausgang zurück Richtung Innenraum „flüchteten“, als die Zahl derer, die wirklich den Laden verließen. Um einen Rückstau in dieser Region zu vermeiden, hat man eine Truppe eingesetzt, welche die Randalierer über einen gesonderten Weg zurück zum Eingang spedierten.

Oder auf die Röhre bezogen: Unter bestimmten Spannungsverhältnissen, wenn also die Anodenspannung klein ist gegenüber der Schirmgitterspannung, die Elektronen aber mit einer ordentlichen Kraft auf die Anode treffen, schlagen sie dort „Sekundärelektronen“ heraus, welche vom Schirmgitter angezogen werden, weil dieses ja positiver ist als die Anode. Damit sinkt der Strom (in einem bestimmten Bereich) mit steigender Spannung, was einem negativen Widerstand entspricht.

Diese Funktion kann zu unerwünschten Wirkungen führen und ist im Normalfall zu unterbinden. Dafür wurde das dritte Gitter, das Bremsgitter eingesetzt. Dieses verhindert den Rückflug der Elektronen auf das Schirmgitter, weil es auf Null Volt liegt und damit eher abstoßend wirkt, bzw. die Anode immer noch positiver ist.

Im Bereich der Historie ist noch zu erwähnen, dass die Glühlampe als Röhren-Usrprung bald mit besseren Glühdrähten bestückt wurde, die mehr Lichtausbeute brachten, weil sie höhere Temperaturen ertrugen. Mit der höheren Temperatur stieg auch die Elektronen-Emission. So wurde mit dem Einsatz des Wolfram-Glühdrahtes eine verwertbare Emission erreicht. Die ersten Radioröhren waren noch mit derartigen Heiz-Emissionsdrähten ausgestattet.

Erste Weiterentwicklungen:

Bald genügte die Emissionsleistung der Wolfram-Drähte nicht mehr und man begann, andere Materialien einzusetzen. Außerdem trennte man die Heizung von der Kathode, weil man bei getrennten Elementen die Heizung an ein weitgehend beliebiges Potenzial legen konnte, während die Kathode an Masse oder auch auf über 100V Spannung liegen konnte. Es war damit möglich, Geräte (die ersten Röhrenfernseher) zu entwickeln, die zur Röhrenheizung auf einen Trafo verzichten konnten.

Je nach Einsatzzweck wurden Röhren mit bis zu sieben Gittern entwickelt (EQ80).

Außerdem wurden Röhren mit kleineren Bauformen gefertigt. Ebenso wurde damit die Anschlusstechnik weiter entwickelt. Und schließlich wurde auch die Heizspannung den besonderen Bedürfnissen angepasst.

Nachdem eigentlich jeder Hersteller seine Röhren nach einem eigenen Code benannte, wurde in Westeuropa eine Bezeichnungsnorm eingeführt. Diese umfasste mindestens zwei Buchstaben und eine Zahl. Bei Einführung der ersten Mehrfachröhren seit der Lancierung dieses Codes mussten mehr Buchstaben (bis 4) und mehr Zahlen verwendet werden. Die nachfolgende Tabelle gibt Aufschluss über die Bedeutung der wichtigeren Buchstaben und Zahlen.

Als Beispiel nehmen wir mal die EABC 80:

An erster Stelle steht die Heizung. Dabei bedeutet
A = 4V
C = 0,2A Serieheizung
D = 1,4V
E = 6,3V
G = 3,15V (GY501) oder 5V (GZ34)
H = 0,15A Serieheizung
K = 2V
P = 0,3A Serieheizung
U = 0,1A Serieheizung
V = 0,05A Serieheizung X = 0,6A Serieheizung.

An zweiter (und folgenden) die Röhrenfunktion
A = Kleinsignal-Diode
B = Kleinsignal-Doppeldiod
C = Kleinsignal-Triode
D = Power-Triode
E = Tetrode oder Sekundär-Emissionsröhre
F = Kleinsignal-Pentode
H = Hexode oder Heptode (4 oder 5 Gitter)
K = Oktode
L = Power-Pentode (oder Beampower-Tetrode)
M = Magisches Auge / Anzeigeröhre
P = (mit Zusatz) Sekundär-Emissionsröhre
Q = Enneode (7 Gitter)
Y Power-Diode
Z = Power-Doppeldiode

Anschließend die Zahlen. Diese deuten einerseits auf die Anschlussart hin (Sockeltyp), andererseits sind sie Laufnummern, wobei bisweilen die ungeraden Nummern auf Regelröhren hinweisen können.

1-9 einstellig= Stift- oder Topfsockel
10 … = Schlüsselsockel 8 polig (Stifte sehen aus wie Fingerknochen)
20… = Loctal, entspricht weitgehend dem Oktalsockel, hat aber dünnere Stifte. Lorenz hat Röhren mit diesem Sockel aber der Bezeichnung 71… gebaut (EM71)
30… = Oktalsockel 8 polig
40… = Rimlock 8 polig
50… Topfsockel 8 polig
500… Magnovalsockel 9 polig
60… = Subminiaturröhre, eingelötet
70… = Subminiaturröhre gesockelt, meist 8 polig
80… = Novalsockel 9 polig
90… = Miniatursockel 7 polig
200… = Decalsockel (wie Noval, nur 1 Stift mehr) 10 polig

Die EABC80 ist also eine Röhre mit Novalsockel, mit der Laufnummer NULL, mit 6,3V Heizung, umfasst eine Kleinsignaldiode sowie eine Kleinsignal-Doppeldiode und eine Kleinsignaltriode.

Nach diesen ersten Ausführungen noch einige mechanische Dinge:

Bei einer Röhre spielen vor allem mechanische Parameter eine wichtige Rolle. Hier nochmals zurück auf das früher angesprochene Problem der Elektronen, die aus der Anode ausgeschlagen werden und bei tiefer Anodenspannung nicht mehr auf diese zurückfallen, sondern am Schirmgitter landen, das positiver ist als die Anode. Wir haben da gesehen, dass das Bremsgitter als „Polizei“ die fehlgeleiteten „randalierenden“ Elektronen abfängt und zur Kathode zurückbefördert.
Nun gibt es bei Power-Pentoden noch eine Möglichkeit, auf das Bremsgitter zu verzichten. Man kann nach dem Schirmgitter eine Art Tunnel bauen, durch den die Elektronen fliegen müssen, um zur Anode zu gelangen. Dieser Blechtunnel ist wie ein Bremsgitter mit der Kathode verbunden. Durch die Bündelung des Elektronenstrahls werden die von der Anode stammenden (randalierenden) Elektronen voll dem Angriff der richtig geleiteten Elektronen ausgesetzt und durch diese quasi in die richtige Richtung geschubst. Und wer nicht will, landet in der Tunnelwand.
Diese Konstruktion nennt man Beampower-Tetrode. Sie hat zwar kein eigentliches Bremsgitter, aber die Funktion unterscheidet sich nicht von der Pentode. Darum ist das nicht mit einem eigenen Buchstaben gekennzeichnet und oftmals kaum in den Datenblättern angeführt.

Zu den Röhrenkurven sei nur so viel gesagt: Die Steilheit der Ia/Ug-Kurve hat viel mit der Verstärkung zu tun. Pauschal kann man sagen, je steiler desto höher ist die Verstärkung. Im Lauf der Entwicklungszeit hat man festgestellt, dass die Steilheit zunimmt, wenn man das Steuergitter so nahe wie möglich an die Kathode bringt. Ursprünglich waren die Gitter Gitter, später hat man Drähte um Stützholmen gewickelt, als so ein leiterähnliches Ding gebaut. Das Problem solcher Gitter ist, dass sie stabil sein müssen, damit man sie nahe genug an die Kathode platzieren kann. Aus diesem Grund wurden die Spanngitter entwickelt. Hier werden nicht einfach Holme bewickelt, sondern es wird ein stabiler Gitterrahmen gebaut, der mit extrem dünnem Draht straff gewickelt und verschweisst wird. Diese Gitterdrähte können kaum noch schwingen und verändern ihre Form auch nicht unter thermischen Einflüssen.

Nun könnte man annehmen, es gebe heute nur noch Spanngitterröhren. Das ist nicht der Fall. Denn die Spanngitterröhre würde entweder veränderte Röhrendaten zur Folge haben, sodass ein Röhrenersatz nur nach Angleichung der Schaltung möglich wäre oder bei gleichen Daten würden die Vorteile dieser Technik nichts bringen und nur der höhere Aufwand für die Herstellung würde sich im Preis niederschlagen.

Und hier gleich noch ein paar grundsätzliche Gegebenheiten:

Die heutigen Kathoden sind in der Lage, hohe Ströme zu liefern. Nur darf man sie im Betrieb nie so stark belasten, dass alle Elektronen der Elektronenwolke (der „Vorrat“ zwischen Kathode und Steuergitter) „verbraten“ werden. Der maximale Kathodenstrom darf also höchstens während 0,1 Sekunden überschritten werden, wenn nachher genügend Zeit ist, die Elektronenwolke wieder aufzubauen.

Das Anodenblech und das Schirmgitter müssen einen Strom übernehmen und sind somit einer Leistung ausgesetzt, die sie als Wärme abstrahlen müssen. Wird diese Leistung überschritten, beginnen die Teile zu glühen, was erstens eine thermische Überlastung der ganzen Röhre zur Folge hat, zweitens kommt es zu unkontrollierten Ausdehnungen der Elektroden und damit möglicherweise zu Kurzschlüssen und drittens können sich die mechanischen Abmessungen und damit die Röhrendaten dauerhaft verändern.

Das Steuergitter ist aufgrund seiner feinen Konstruktion nicht in der Lage, irgendwelche Ströme (über etwa 10 Mikroampere) zu übernehmen. Schaltungen mit positivem Steuergitter beschädigen die Röhren in sehr kurzer Zeit. Ausnahmen sind spezielle Impulsröhren, die in Sperrschwingern eingesetzt werden. Aber dabei ist die Zeit des Gitterstroms sehr kurz und die Erholungszeit entsprechend lang.

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